Einzigartige Ausbildung soll Pflegenotstand lindern
Klinikum und Berufskollegs kooperieren – „3 Abschlüsse in zwei Jahren“
Einzigartige Ausbildung soll Pflegenotstand lindern
Sechs Jahre hat die Vorbereitung gedauert, im August beginnt die „richtungsweisende Ausbildungskooperation“ in Herford - so nennen es die Pflegeschule am Klinikum, das Anna-Siemsen-Berufskolleg Herford und das Lüttfeld-Berufskolleg in Lemgo.
PIA ist das entscheidende Kürzel. Es steht für Praxisintegrierte Ausbildung, und zwar zum Sozial- und Pflegefachassistenten. Gleichzeitig erwerben die Absolventinnen und Absolventen die Fachoberschulreife, also den Realschulabschluss. Entsprechend richtet sich das vollzeitschulische Angebot unter dem Motto „3 Abschlüsse in nur zwei Jahren“ an Menschen mit einem Hauptschulabschluss.
Motivation für die Einrichtung der neuen Ausbildung war auch die Tatsache, dass in den vergangenen Jahren immer mehr junge Menschen eine Ausbildung in der Pflege wegen Defiziten im schulischen Bereich abgebrochen haben. „Das lag meistens nicht an der Praxis“, sagt Andreas Zeisberg, Pflegedirektor am Klinikum Lippe. Mit einem höheren Praxisanteil bekommen die Absolventen der neuen zweijährigen Ausbildung schnell einen Einblick in die pflegerische Arbeit am Menschen, können am Berufskolleg aber auch zeitgleich einen weiterführenden Schulabschluss machen.
Im Anschluss, so hoffen die Initiatoren, führt der viel beschworene Klebeeffekt zur Aufnahme eines pflegerischen Berufes oder zur Pflegefachausbildung, die dann von drei auf zwei Jahre verkürzt werden kann. Als weiteren Anreiz erhalten die PIA-Absolventen eine Ausbildungsvergütung in Höhe von 500 Euro im Monat.
1000 Stunden Praxisunterricht
Die Ausbildung im Kreis Herford findet am Siemsen-Berufskolleg, an der Pflegeschule am Klinikum und im Klinikum an den Standorten Herford und Bünde statt: 2400 Stunden Theorie und fast 1000 Stunden Praxis. „So etwas ist einzigartig in NRW“, sagt Tobias Bach, Leiter der Pflegeschule Herford/Lippe.
Bislang gab es an den Berufskollegs nur die Möglichkeit, in einer zweijährigen Schulphase den Abschluss zum/zur Sozialassistent/in samt Realschulabschluss zu machen. Mit der Erweiterung auf die Pflegefachassistenz haben Absolventen jetzt zusätzlich die Möglichkeit, später in allen Pflegeeinrichtungen tätig zu sein. Den bestehenden einjährigen Ausbildungsgang zur Pflegefachassistenz wird es an der Pflegeschule aber weiterhin geben.
Ziel des neuen niedrigschwelligen Bildungsganges sei es nicht nur, jungen Menschen eine bessere berufliche Perspektive zu bieten. „Wir wollen aber vor allem das Feuer für diesen tollen Beruf entfachen“, sagt Andrea Baumgart, Pflegeleiterin am Klinikum Herford. 25 Plätze stehen ab Sommer in Herford zur Verfügung, weitere 25 ab Sommer 2024 in Lemgo, 2025 dann wieder 25 in Herford. „Wir haben bereits die ersten Zusagen vergeben“, sagt Schulleiter Bach. Bewerben können sich übrigens auch Interessenten mit einem Bildungsgutschein der Arbeitsagentur.
In Düsseldorf schauten gleich zwei Ministerien (Gesundheit und Schule) mit Interessen auf die neue Modellausbildung in den Kreisen Herford und Lippe, sagt Anja Rittinghaus, Dezernentin bei der Bezirksregierung in Detmold. „Denn das ist ja ganz neu und die Vorbereitung war entsprechend anspruchsvoll.“ Eine zeitliche Befristung für das neue PIA-Modell gebe es zunächst aber nicht.
Wer sich für die Praxisintegrierte Ausbildung zur Sozialassistenz mit dem Schwerpunkt Pflege in Kombination mit einer Ausbildung zur Pflegefachassistenz bewerben möchte, kann sich hier informieren: www.pflegeschulen-hl.de (Tel. 05221/942669) oder www.asbk.de (Tel. 05221/132900).
"Herford: Einzigartige Ausbildung soll Pflegenotstand lindern" aus „Westfalen Blatt", 11. April 2023.
Text und Fotos: Bernd Bexte.
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